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Intrinsische Motivation schadet – Warum sie noch das Problem und nicht die Lösung ist

Eine Anfrage per Email trifft ein. Die „Funky Nachhaltigkeits Konferenz“ fragt für einen Impulsvortrag an. Ich freue mich, obwohl ich schon im Wortlaut rauslese, dass es wohl kaum Honorar geben wird. Denn es ist von gutem Zweck und von ehrenamtlichem Organisationsteam die Rede. Die Vorahnung bestätigt sich beim ersten Telefonat. Ich bitte um Bedenkzeit. 

Bock braucht kein Geld

Meine intrinsische Motivation sagt „Ja, geil!“. Ich habe Bock, zum Gemeinwohl beizutragen und ich habe Bock, mit Menschen in Dialog zu treten. Ich mache es liebend gerne, also brauche ich kein Geld. Aber genau in dieser Schlussfolgerung liegt ein fundamentales Problem unserer Wirtschaft.

 Je mehr Lust wir an einer Sache haben, je sinnvoller sie ist, desto mehr sind wir bereit, die Sache unentgeltlich zu machen. Vielen plagt sogar das schlechte Gewissen, Geld für eine gute Tat zu verlangen. Würde ich für die „Funky Nachhaltigkeits Konferenz“ ein fettes Honorar verlangen, würde ich mich als undankbaren gierigen Kapitalisten fühlen. Als jemand, der es nur wegen dem Geld macht.

Nun rechnen wir diese Wechselbeziehung einmal plakativ auf unsere gesamte Gesellschaft und Wirtschaft hoch. Zum Leben sind wir auf ein Einkommen angewiesen. Dadurch, dass wir unsere intrinsischen Aktivitäten nicht mit Geld honorieren, zwingen wir uns, anderen Aktivitäten nachzugehen, die nicht intrinsischer Natur sind. Wir quersubventionieren die kostenlosen „guten“ Taten durch die gut bezahlten „schlechten“ Taten.

Diese Tendenz zeigt sich auch in unserer Ehrenamtskultur. Rund die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland geht einem Ehrenamt nach. Laut dem Bund ist das großartig, denn so heisst es auf ehrenamt.bund.de:

„Das Ehrenamt – Die beste Gelegenheit Gutes zu tun.

Denn kaum etwas ist erfüllender, als mit den eigenen Fähigkeiten und Talenten im Leben anderer Menschen einen spürbaren Unterschied zu machen. Als Ausgleich zum Job, Abenteuer nach der Schule oder Weiterbildung im Ruhestand.“

Im Umkehrschluss ist der Job wohl die beste Gelegenheit, Schlechtes zu tun. Oder anders formuliert, der Job reicht häufig nicht aus, um das eigene Bedürfnis nach Sinnstiftung zu befriedigen. 

Geld ist böse

Vor diesem Hintergrund ist auch wenig überraschend, dass meist die idealistischen oder gesellschaftlich wertvollen Berufe dem Niedriglohn-Sektor zuzuweisen sind. Eine Pfleger*in, Kleinklinderzieher*in oder Künstler*in sind viel eher bereit, ihren Beruf für wenig Geld auszuüben. Denn die Tätigkeit ist „zu“ erfüllend und/oder sinnvoll.

Diese verkorkste Denke geschieht nicht nur auf der individuellen Ebene sondern auch auf der organisatorischen Ebene. Wenn ein Unternehmen für das Gemeinwohl ins Leben gerufen wird, wird es meist zum Verein. Dadurch wird es zu einem Auffangbecken für noch mehr ehrenamtliche Aktivitäten.

Es scheint mir als wäre unsere Wirtschaft in zwei Welten aufgeteilt. In der einen Welt geht es darum, Geld zu verdienen und dadurch die Einkommensgrundlage unserer Gesellschaft herzustellen. Alles ist erlaubt, sofern es Geld abwirft. In der zweiten Welt geht es um Wertschöpfung mit Fokus auf das Gemeinwohl. Sie kümmert sich darum, die negativen Folgen und vernachlässigten Bereiche der ersten Welt auszugleichen. Dabei darf sie ja kein Geld verdienen, sonst würde sie zur anderen Seite gehören und wäre dementsprechend böse. 

Wir träumen von einer besseren, solidarischeren und nachhaltigeren Wirtschaft. Solange wir aber weiterhin unsere intrinsische Motivation oder gemeinnützigen Motive fein säuberlich vom Konzept des Geld Verdienens abtrennen, bleibt es ein träumen. Wir sollten uns bewusst werden, dass wir durch unsere eigenen Denkmuster – auch wenn gut gemeint – fundamental dazu beitragen, dass die Wirtschaft „böse“ ist und bleibt. Es braucht ein Umdenken.

Sinnvoll = Wertvoll = Teuer

Wirtschaft und Geld sind nicht per se schlecht, sondern wir machen sie schlecht, weil wir das Gute möglichst weit weg von ihnen fernhalten. Dadurch sorgen wir für eine selbsterfüllende Prophezeiung und bestätigen unseren Glaubenssatz, dass Geld böse ist. Stattdessen sollten wir Wege finden, Geld Verdienen und sinnvolles Tun zu vereinbaren. Nur so erhält das Sinnvolle die notwendige Relevanz, um in unserem System eine ernsthafte Alternative zu werden. 

Deswegen ist die Social Entrepreneurship Bewegung so wichtig. Bestes Beispiel ist die Tomorrow Bank, die Geld nicht als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung erachtet. Geld ist wahrscheinlich der größte Hebel, etwas zu bewegen, also sollte das Gute darüber herrschen und entscheiden, wohin es fließt.

Noch viel wichtiger ist das Umdenken auf der individuellen Ebene. Je lieber wir etwas machen, je sinnvoller die Tätigkeit ist, desto mehr Geld sollten wir dafür verlangen. Wir sollten anfangen, unserer intrinsischen Motivation die Wertschätzung schenken, die sie verdient. Dadurch drücken wir die Angebotskurve der wertvollen Tätigkeiten nach oben, sorgen für eine höhere Entlohnung und schaffen mehr wirtschaftliche Relevanz. Das Umerziehen der Wirtschaft startet also vor allem bei uns selbst.  

Nun ist auch klar, wie meine Antwort an die „Funky Nachhaltigkeits Konferenz“ lauten wird:

„Hey Leute, ihr macht geilen sinnvollen Shit und ich hätte richtig Bock beizutragen. Ich bin aber nur dabei, wenn ihr mir ein fettes Honorar zahlt. Sonst entspricht es nicht dem enormen Wert eurer Sache.“

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Felix Höpker

    Lieber Olivier,

    dass ist mal eine super perspektive auf unsere Gesellschaft, die Wirtschaft und sas Geld! Und damit, das „das Gute“ über das Geld herrschen sollte kann ich mich super identifizieren.
    Wie kommen wir da hin? Stand jetzt hat der Teil der Gesellschaft, der Geld um des Geldes willen erwirtschaftet und bereit ist dafür „Böses“ / „Schlechtes“ zu tun, bzw. alles als gut bewerte was Geld bringt das meiste Geld akkumuliert..

    Danke auf jeden Fall für den Impuls :)..

    1. oliviers

      Danke für die Rückmeldung Felix. Auch schön zu wissen, dass es dich auch noch gibt. 🙂 Liebe Grüße aus Hamburg

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