Privilegiert in unserer Gesellschaft sind diejenigen, die ausgezeichnet ausgebildet sind und überdurchschnittliche Fähigkeiten besitzen. Das sind die, denen auf dem Arbeitsmarkt in der Regel alle Türen offen stehen. Aufgrund ihrer großen Marktmacht dürfen sie sich den Arbeitgeber aussuchen. Sie werden gut bezahlt. Sie haben die Möglichkeit, zu bestimmen, wie sie arbeiten möchten. Und ganz wichtig, sie dürfen auch nein sagen, denn sie sind finanziell abgesichert.
Das die Theorie. Und die Realität?
So sieht die Realität von Privilegierten in der Arbeitswelt aus:
Privilegiert sein bedeutet heute am meisten zu schuften. In der höchsten Gehaltsklasse wird im Schnitt 12 Stunden mehr pro Woche gearbeitet als in der tiefsten Gehaltsklasse. Das steht im starken Kontrast zur Vergangenheit, wo der Adel für sich arbeiten ließ. Einige könnten jetzt meinen, dass dieses Ergebnis logisch ist, da die Besserverdienenden auch „bessere“ Jobs haben und deswegen gerne mehr arbeiten. Glaubt man den Studien zu den Wunscharbeitszeiten der Deutschen, dann muss man aber eher skeptisch sein. Zum Beispiel beträgt gemäss einer Studie der Köber Stiftung die wöchentliche Wunscharbeitszeit lediglich 31,3 Stunden. Versteht mich nicht falsch. Es geht mir keinesfalls darum, den Arbeitsbegriff in ein schlechtes Licht zu rücken. Die Arbeit als eine Tätigkeit zu betrachten, die man möglichst vermeiden sollte. Im Gegenteil, ich glaube, dass man den Begriff Arbeit nur reinwaschen kann, wenn es uns gelingt, die Arbeit in die richtige Balance mit der restlichen Lebenszeit zu bringen. In meiner Freizeit liebe ich es zum Beispiel, Tennis zu spielen. D.h. aber nicht, dass ich 50 Stunden in der Woche Tennis spielen möchte. Irgendwann ist genug. Wie bei allen Tätigkeiten, geht es um das richtige Maß, damit sie ihren Reiz nicht verlieren.
Warum lassen sie sich darauf ein?
Aber was ist denn mit den Privilegierten los, dass sie sich auf diesen Zustand einlassen? Aus meiner Sicht gibt es da zwei Hauptursachen. Einerseits ist es dieses (zu) starke menschliche Verlangen nach Wertschätzung, Wichtigkeit und Bestätigung. Es gehört heute zum guten Ton viel zu arbeiten. Es signalisiert, dass man wichtig ist, dass man dringend gebraucht wird und dass ohne einem das Unternehmen untergeht. Dieses Signal funktioniert sowohl im politischen Geplänkel innerhalb eines Unternehmens, wie auch im sozialen Umfeld außerhalb. Dabei wissen wir alle, dass diese vorgegaukelte Wichtigkeit völliger Quatsch ist. Bei der großen Mehrheit würde sich kaum was ändern, wenn die jeweilige Person nicht arbeiten würde. Zu groß und stabil sind die Unternehmensmaschinerien, als dass eine einzelne Person einen Unterschied machen könnte. Unternehmen nehmen diese Bereitschaft der Hochqualifizierten, Anerkennung durch viel Arbeit zu bekommen, natürlich mit offenen Armen entgegen.
Die zweite Ursache ist eine durch das System anerzogenes Verhalten der Leistungselite. Wenn man schon ab der Schule daran gewöhnt wird, zu den besten dazu zu gehören, dann ist das eine riesige Last für das ganze weitere Leben. Es schafft eine Erwartungshaltung, dass dieses Konzept „der beste zu sein“ eine Leben lang aufrecht erhalten werden muss. Man hat nie gelernt, dass es auch ok ist, nur Mittelmaß zu sein. Man hat nie gelernt, dass Scheitern auch eine Option sein kann. Man hat nie gelernt, dass man genügt. Man wurde zu Maschinen programmiert, die nach der Top-Position streben müssen. Immer weiter, immer höher, immer schneller. Dadurch landen die Privilegierten in ihrem Hamsterrad. Das Problem dabei: in diesem Hamsterrad existieren kaum Reflektionsräume, um sich bewusst zu machen, in welcher Situation man sich befindet und was denn die echten eigenen Bedürfnisse eigentlich sind.
Ihre gesellschaftliche Verantwortung
Liebe Privilegierte, wacht endlich auf und verhaltet euch privilegiert! Das bedeutet, euch durch eure Privilegien das zu holen, worauf ihr Bock habt, statt das euch vorgegebene Spiel mitzuspielen. Das schuldet ihr nicht nur euch und euren Privilegien, sondern vielmehr der ganzen Gesellschaft. Es ist nämlich eure Aufgabe, die Arbeitswelt in die richtige Richtung zu verändern. Durch euer heutiges Verhalten fördert ihr ein Gleichgewicht, in dem die Arbeit extrem ungleich verteilt ist: Während sich die Elite immer mehr zu Tode arbeitet, haben die Zurückgebliebenen immer weniger Arbeit. Und wir wollen uns erst gar nicht vorstellen, wie die kommenden Wellen der Automatisierung diesen Zustand noch verschärfen werden. Wie wäre es damit? Bei der nächsten Gehaltserhöhung sagt ihr „Dankeschön, dann kann ich ja mein Arbeitspensum reduzieren, um auf dem gleichen Gehaltsniveau zu bleiben“.
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